© 2024 by Thomas R. Buntrock
Wenn man sich entschieden hat, eine alte japanische Kampfkunst zu erlernen, die tief in der Geschichte und in den Traditionen Japans verwurzelt ist, betritt man einen neuen, anderen Weg. Dieser wurde vor vielen Jahrhunderten in ihrer ursprünglichen Form von den Samurai entwickelt. Betritt ein Budōka (jemand der Kampfsport betreibt) ein Dōjō (Trainingsstätte), so verbeugt man sich beim Eintritt in den Trainingsraum, das gilt auch für das Verlassen des Trainingsraumes. Wichtige Punkte: Ist der Eingang des Dōjō höher als der Raum selbst, d.h. führt eine Stiege oder Treppe hinab, soll man nicht von „oben“ gen „kamiza“, dem Kopf des Raumes grüßen und schon gar nicht, wenn man noch in Unterhosen bekleidet ist! Eine erhabene Position gegenüber dem shinzen (shinzen 神前 - „Sitz der Götter“) oder dem Schrein des (wie im Shitō Ryu: Mabuni Kenwa, im Kyukushinkai: Mas Oyama, im Aikido Ueshiba Morihei, im Judō Kano, Jigoro und im Shotokan: Funakoshi, Gichin) steht niemandem zu! Der Übende bringt mit seiner Verbeugung zum Ausdruck, dass er das Dōjō und seine Mitglieder respektiert und sich den Ordnungen und Regeln des Budō unterwirft. Das gilt sowohl für die Schüler, aber insbesondere wegen der Vorbildfunktion für die Lehrer. Zum Thema Handy: Es ist unhöflich, das Telefon nicht stumm zu schalten, während des Trainings. In Absprache mit dem Übungsleiter kann man jedoch vereinbaren, dass aktuelle Notfälle bedingen, sofort reagieren zu müssen (kranke Mutter, Arzt in Bereitschaft, Erdbeben-warnung, Feueralarm,etc.,p.p.). Noch unhöflicher ist es, während eines Trainings (oder, wie schon erlebt: Während eines Seminares, ans Telefon zu gehen um laut zu verkünden: Ich kann jetzt nicht!)
Die Übenden sollten sich um die Sauberkeit im Dōjō und in der Halle bemühen (keinen Müll herumwerfen und benutzte Trainingsgeräte wieder aufräumen). In Japan ist es Brauch, dass die geringsten Schüler, d.h. die mit den niedrigsten Graduierungen, am Ende des Trainings den Hallenboden säubern. Falls es sich um Judō, Aikidō oder sonst eine Kampfsportart handelt, die Matten (Tatami) erfordern, helfen ALLE beim auf-und-abbauen! Man betritt die Matten, den gesamten Raum eigentlich, nicht mit Schuhen, sondern barfüßig und in einem sauberen und ordentlichen Gi. Saubere Hände und Füße, sowie kurzgeschnittene Nägel (Verletzungsgefahr) dürften selbstverständlich sein. Saubere Kleidung gehört auch zum ordentlichen Erscheinungsbild eines Budōka, egal welcher Richtung er/sie angehört. Lange Haare sollten zusammengebunden werden (dies taten auch die Samurai). Zur eigenen Sicherheit müssen alle Schmuckstücke (Ketten, Armbänder, Uhren, Ringe, Ohrringe) vor dem Training abgelegt werden, da durch sie schwere Verletzungen verursacht werden können. Außerhalb der Matte trägt man Schuhe oder Sandalen (zori), um keinen Schmutz auf die Matten zu tragen. Das Dōjō ist ein Ort der Ruhe. Beim Betreten der Matte verbeugt sich jeder Trainingsteilnehmer am Mattenrand. Er bekundet damit, dass er nun bereit ist, am Training teilzunehmen und die Regeln zu respektieren.
Während des Trainings macht jeder Teilnehmer so gut er kann mit und trainiert nach den Maßgaben des Trainers. Vor und nach dem Üben einer Technik verbeugen sich die Partner zueinander (nicht bei jeder einzelnen Technik, sondern je "Trainingsblock"). Ein Trainingsteilnehmer sollte während des Trainings das Dōjō nicht einfach verlassen, sondern muss unbedingt den Lehrer oder den sempai verständigen, damit dieser den Sachverhalt kennt und notfalls eingreifen kann, wenn ein Trainingsteilnehmer wegen einer Verletzung oder Übelkeit von der Matte gehen muss. Muss man eine kleine Pause einlegen oder wird vom Lehrer eine Technik gezeigt, so setzt man sich am Mattenrand im "seiza" oder "zazen" ab (wichtig: niemals die Beine lang mit nackten Füßen in den Raum richten! Das gilt als äußerst unhöflich), um die anderen nicht zu stören. Muss man den Trainingsraum während des Trainings verlassen, so zieht man immer seine Schuhe an. Die Fortgeschrittenen dürfen nie vergessen, dass ihr Verhalten maßgebend ist für das Verhalten der Anfänger und damit für die ganze Trainingsatmosphäre. Am Ende des Trainings folgt wieder eine Grußzeremonie wie an dessen Beginn. Die Etikette der Trainierenden lässt NICHT zu, dass geredet wird, wenn Sensei spricht und lässt auch nicht zu, dass Niedergraduierte Höhergraduierte korrigieren oder maßregeln. Es sei denn, Sensei fordert im Rahmen des Trainings oder der aktuellen Übung unmissverständlich dazu auf. Das ist schlicht eine Frage des Respektes. Alle Trainingsteilnehmer lassen in der abschließenden Meditationsphase das vergangene Training nochmals im Geiste vorbeiziehen. Nach dem Aufstehen verbeugen sich alle leicht im Stand zum Lehrer hin; die Teilnehmer bedanken sich dadurch für das Training, der Trainer bekundet seinen Dank für die Teilnahme am Training und für Fleiß und Disziplin. Zum Schluss verbeugen sich die Trainingspartner zueinander, um ebenfalls ihren Dank auszudrücken und sich für eventuelle Schmerzen oder kleinere Verletzungen zu entschuldigen. Beim Verlassen der Trainingsfläche grüßt man wieder beim Verlassen des Trainingsraumes.
Die 15 Dōjō – Regeln
Ordnung gehört zur Budō-Etikette. Da sie die Höflichkeitsformen (reishiki) der Budōka im Dōjō und die traditionellen Umgangsformen (saho) untereinander regelt und damit Maßstäbe setzt für die moralischen und ethischen Werte des Budō. Die Regeln weichen in den einzelnen Budō-Künsten und Stilrichtungen etwas voneinander ab. Die Inhalte und die Substanz sind jedoch immer die gleichen oder sehr ähnlich.
1. Sei pünktlich im Training! Pünktlichkeit, d. h. gemeinsamer Trainingsbeginn und auch das gemeinsame Trainingsende, ist eine höfliche Voraussetzung für Schüler und Lehrer.
2. Sei höflich und rücksichtsvoll! Beachte die einzelnen Grußformen den Mitschülern und dem Lehrer oder Meister gegenüber. Auf ein lautes „Hallo oder Tschüss" sowie auf den männlichen Handschlag oder andere, testosterongesteuerte Balzrituale kann im Dōjō verzichtet werden. Der höhergraduierte Budōka nimmt Rücksicht auf den Anfänger oder Schüler.
3. Bewahre Ruhe und Konzentration! Das Dōjō ist ein Ort der inneren Sammlung und des konzentrierten Trainings. Lautes, aufdringliches und ablenkendes Verhalten sind daher nicht gewünscht. Die Ausnahme ist der sogenannte Kampfschrei Kiai, der aber bei den meisten Iaidō-Stilen nur stumm vorkommt.
4. Arbeite und denke mit! Dein Verhalten ist Voraussetzung für ein reibungsloses Training. Sei aufmerksam, hilfsbereit und kameradschaftlich. Beteilige dich intensiv am Training, stelle dich als Partner zur Verfügung.
5. Sei zurückhaltend! Der Unterricht wird nicht durch permanentes Fragen unterbrochen. Übe und lerne! Das ist die alte Form des „Lehrens“, nämlich stumm den Meister zu kopieren. Im feudalen Japan mag das angemessen gewesen sein. Jedoch bekräftigte Andy Watson (Meijin von Ishido Sensei), dass moderne Sensei ihre Schüler da abholen, wo sie stehen und gezielt auf den Punkt weiterbringen, dazu sind Fragen unerlässlich!
6. Zeige Respekt! Der Schüler ehrt den Meister und der Meister respektiert den Schüler. Der tiefer Graduierte zeigt Respekt und Hochachtung gegenüber dem höher Graduierten und dem Lehrer (Sensei). So geht der Weg des Respekts von unten nach oben, von oben nach unten und von einem zum andern. Den Anweisungen des Trainers ist Folge zu leisten. Unterschätze deinen Partner oder Gegner nicht. Sei nicht überheblich.
7. Sei sauber! Beachte die hygienischen Grundvoraussetzungen für ein Training mit anderen Menschen. Wasche oder dusche dich vor und nach jedem Training. Die Finger – und Fußnägel sollen immer kurz geschnitten sein und ebenso auch die Haare, falls letzteres nicht möglich ist, müssen die Haare hochgesteckt oder zusammengebunden werden. Die Matten, sofern vorhanden, sind nur barfuß zu betreten. Auch der Budōgi muss immer sauber sein, d. h. regelmäßig waschen oder reinigen. Zur speziellen Handhabung des Hakama nach einer Wäsche siehe Kapitel 27.
8. Achte auf frischen Atem! Auf das Essen und Trinken von übelriechenden oder blähenden Speisen oder Getränken (ohne hier Einzelheiten zu nennen) ist grundsätzlich einige Stunden vor Trainingsbeginn zu verzichten. Ebenso auf das Lutschen von Bonbons und auf Kaugummi, um eine Verschluckungsgefahr zu vermeiden.
9. Vermeide Verletzungsgefahr! Schmuck, gleich welcher Art, d. h. Fingerringe, Ohrringe, Halsketten sollten beim Training abgelegt werden. Auch ein Piercing kann Verletzungen verursachen. Ebenso sollten unüberlegte Übungen oder Kraftakte und Mutproben im Training unterbleiben. Die leichtsinnige oder gewaltvolle Anwendung von Techniken ist zu unterlassen. Bitte immer daran denken: Ein Iaitō ist nicht scharf, aber spitz genug!
10. Verlasse Tatami und Dōjō nicht! Es ist unhöflich gegenüber dem Partner oder Lehrer, die Matte oder das Dōjō während des Trainings unaufgefordert oder unentschuldigt zu verlassen. Bei wichtigen Gründen (Toilette, Unwohlsein, Verletzung) ist dem Lehrer vorher Bescheid zu geben. Wenn möglich, setzt man sich im Seiza oder im Schneidersitz (Anza) an den Rand der Matte oder der Dōjōfläche und schaut interessiert zu. Wenn man mit dem Training wieder beginnen möchte, zeigt man dies durch eine kurze Verbeugung im Stand (Ritsu-rei), gegenüber dem Trainer, Lehrer oder Sempai an.
11. Sei stark, selbstbeherrscht und selbstbewusst! Übe Selbstbeherrschung und Selbstdisziplin und lasse es dir nicht anmerken, wenn du müde oder erschöpft bist. Unnötiges Wehklagen und Schmerzäußerungen sind zu vermeiden. Halte deine Gedanken und deinen Körper immer unter Kontrolle.
12. Beachte die Anweisungen des Trainers! Auf die Hinweise und Aufforderungen des Trainers und sempai ist zu achten. Diese sind zu befolgen.
13. Sei beständig! Trainiere regelmäßig, besuche ständig die Trainingsstunden. Nur so können sich deine Partner auf dich verlassen und nur durch Beständigkeit kommst du im Unterricht weiter und wirst selbst zum Meister. Familienangehörige, Gäste und andere Zuschauer, die sich nicht am Training beteiligen, werden gebeten, sich so zu verhalten, dass sie das Training nicht stören (Telefonieren, Zwischenrufe, wildes gestikulieren, Schnarchen etc.(alles schon erlebt)).
14. Sei Achtsam! Es gibt nicht einen plausiblen Grund, dass z.B. ein Mann unaufgefordert in der Damen-Umkleide erscheint!
15. Sei fair! Sowohl Schüler, als auch Lehrer sollten stets bemüht sein, alle gleich zu behandeln. Der Unterschied zwischen Fairness und „abholen“ besteht in der Individuellen Performance. Der Lehrer sollte das immer klarstellen.
Warum ist das so wichtig?
Die Etikette ist ein zentraler Inhalt des Budō. Sie ist eine Ritual-Praxis der Wertschätzung und Zuneigung. Als Gemeinschaft in einer Kampfsportgruppe sind wir Eins. Die japanischen Kampfkünste des Budō sind originär ganzheitliche, d.h. körperliche und geistige, ja spirituelle Übungswege, die auf den Traditionen, der Kultur und vor allem der Philosophie Asiens basieren, insbesondere dem Wesen des Zen. Die Rituale und Zeremonien, Gesten (Mudras) und der Ehren- und Verhaltenskodex im Budō - oft ausgedrückt in der dem traditionellen Budō ganz eigentümlichen Etikette - sind wesentliche Bestandteile des Weges, der Übung und der Meisterschaft. Die Bedeutung dieser Etikette und ihren besonderen Ritualen ist zentral, denn sie geht weit über das hinaus, was man im Westen einfach unter "Regeln" oder "Disziplin" versteht. Die Ritualpraxis der Budō-Etikette ist mehr als ein bloßes Regelwerk, eine nur formale Abläufe organisierende "Ordnung". In der Etikette drückt sich die Innere und Äußere Haltung des Budō und auch desjenigen, der Budō praktiziert, aus und offenbart das rechte Verständnis des Weges (dō) und das Bemühen um Fortschritt. Erfahrene Budōka sehen an den kleinen Dingen wie Verneigung, Verhalten, binden des Obi etc., ob ein Schüler fortgeschritten ist. Es offenbart die Grundhaltung gegenüber Dōjō, Sensei und den Mitschülern und selbstredend auch, ob man sich diesem Weg in Gänze hingibt, oder nicht. Gerade die Hingabe zu diesem Weg ist essenzieller Bestandteil des Ganzen, weil alles andere nur halbherzig wäre. In den meisten Fällen sind die Schüler, die das Gesamtverständnis nicht annehmen, nicht lange dabei. Für mich ist die „Etikette“ ein Teil des Dōjō-Lebens, der unverzichtbar ist. Jedweder Kampfsport-oder-Kampfkunst ist ohne das innere Leitbild und die Etikette zum bloßen Abarbeiten von Technik reduziert. Insofern bedeutet Dōjō – Etikette, dass ein wichtiger Lebensbaustein niemals außer Acht gelassen werden sollte. Man sieht das leicht an anderen Sportarten, in denen die Etikette nebensächlich oder nicht vorhanden ist, weil sie der Erlangung von „Höher, weiter, schneller“-Erfolgen nur im Wege wäre und damit auf rein leistungsbezogenem Gebiet unfunktional und als Ballast anzusehen sind. Ein Niederknien und eine Kontemplation / Meditation als geistige Sammlung zu Beginn eines Speerwurfes zum Beispiel wäre in den westlichen Kulturen ein bizarrer Akt. Echtes Budō ohne „mokusō“ ist aber schlicht undenkbar. Natürlich kann man von Anfängern nicht ad hoc erwarten, dass sie in tiefe Kontemplation fallen, wenn der Ruf „mokusō“ ertönt. Auch das ist ein Lernprozess, der ganz automatisch abläuft und irgendwann zum Ziel führt, indem man zunächst die körperlichen Abläufe imitiert, aber nach und nach in geistige Versenkung fällt.
Ich habe mir seit nunmehr vielen Jahren Gedanken über „Budō“ gemacht. Bu – dō, der Weg des Kriegers. Ja. Nein. Jein. Na… das träfe auch für russische und Nordvietnamesische Krieger (Soldaten) zu. Ist das so? Oder sind das alles nur normative Werte, die jeder für sich allein interpretieren und auslegen kann? Ich antworte in japanischer Manier: Vielleicht.
Vielleicht betrachten wir alle zunächst unseren Schwertgriff. Bei eingestecktem Schwert ist die äußere Seite, die, wo hinter der fuchi kein Diamant zu sehen ist: omote. Omote bedeutet, das Sichtbare, Offensichtliche. Das, was gesehen werden soll. Demnach ist die innere Seite ura: das Verborgene. Ich betrachte Budō als omote. Starke, normative Werte, die vielleicht ein Zusammenleben erleichtern. Scheinbar gründet sich „Budō“ auf den Bushidō-Kodex der Samurai. Und doch: Haben sich die Samurai immer und zu jeder Zeit daran gehalten? Das darf stark bezweifelt werden.
Wir Menschen der westlichen Welt, und somit die Vertreter westlicher Moral und Ethik, haben eines gemeinsam: Wir verstehen uns! Von Island bis Bagdad, von Kalifornien bis Südafrika. Zu Zeiten vieler Konflikte scheint das surreal, aber dennoch haben wir eine gemeinsame ethische Basis. Man sticht niemanden von hinten ab. Man schlägt keine Frauen. Man quält keine Kinder. Man schlägt nicht erneut zu, wenn jemand schon am Boden liegt. Man stoppt eine Aktion, wenn abgeschlagen wird. Man lügt nicht. Und so weiter… aber tun wir das? Wirklich? Was, wenn deine Mutter den besten Gänsebraten gekocht hat, den sie jemals für die Familie zubereitet hat und fragt: „Schmeckt es dir, mein Junge?“ Spätestens hier entpuppt sich Budō als Krücke schwacher Geister. Natürlich müsste man der Mutter, sofern man die Werte des Budo 100%ig vertritt sagen: „Nee, Mama, das Ding ist fade und geschmacklos!“ Aber das machen wir nicht. Wir wahren unser Gesicht und das der Mutter, des Hauses und des Familienfriedens, wenn wir den Gummivogel lächelnd in uns hineinstopfen und auf dem Heimweg bei McDonalds vorbeischauen. Es gilt hier abzuwägen, was wichtiger scheint. Das Gesicht und die Zufriedenheit der Mutter, oder eine Wahrheit, die die nächsten Wochen und Monate für schlechte Laune sorgt.
Genauso ist Bushidō. Eine Sammlung genormter Richtwerte, die vollkommen idealisiert und überhöht sind. Bushidō, und in der Folge Budō, sind wie rote Ampeln in Paris: Ein Vorschlag. Man KANN das alles einhalten, jedoch bekommt man hierzulande eine Menge Probleme, lebt man die Bushidō-Regeln. Ich vermute, so haben sich auch die Samurai verhalten: Abwägend.
Ich denke, es ist viel wichtiger, die ura-Seite des Ganzen zu sehen. S A H O. Reishiki ist die Etikette. Saho ist das Benehmen. Reishiki ohne Benehmen ist eine Bedienungsanleitung, Saho ohne Etikette ist kalt und tot. Daher verbindet man beides zu: ReiHo. Hier wird offenbar, dass die Etikette das Kleid ist, das das Benehmen wärmend umhüllt.
Ich betreibe Kampfkunst, seit ich 8 Jahre alt war. Meine beiden ersten Sensei im Judō waren Bauszus Sensei und Lewicki Sensei. Es waren weise Lehrer. Sie lehrten mich saho, lange bevor ich wusste, was Budō oder Reishiki bedeutet. Auf meinem ersten Judō-Turnier versagte ich kläglich. Niemand meiner Kameraden hatte es für nötig befunden, mir zu erzählen, dass erfahrene Judōka Wochen vor einem Turnier beginnen, zu hungern und Gewicht zu verlieren. Mithin könnte der „Kollege“ ja später ein Gegner sein. Also trat ich gegen einen Berg von Kerl an. Gefühlt sah er aus, wie Hulk im Pyjama. Es dauerte auch nicht lange, und mein Leiden war beendet.
Später im Dōjō jedoch sagte Lewicki Sensei, ich hätte mich wie ein Samurai geschlagen. In aussichtsloser Position alles versucht und nicht aufgegeben. Ich war ein würdiger Verlierer. Bauszus Sensei sagte mir, das wäre viel wichtiger, als immer zu gewinnen. Wörtlich: „Entweder du gewinnst, oder du lernst. Es kommt nicht drauf an. Es ist nur wichtig, WIE du kämpfst. Ganz besonders außerhalb des shiai-jō!“
Ich bin jetzt 64, aber diese Lektion hat mich mein Leben lang begleitet. Diese Traditionen weiser Sensei ist es, die den Unterschied machen. Leider braucht man manchmal viele Jahre, seine eigene Position zu bestimmen. Manchmal findet man sich dort wieder, wo man sich selbst sieht, manchmal jedoch wird offenbar, dass man noch ein Stück Weg vor sich hat. Für mich ist saho der entscheidende Punkt. Anstand und Benehmen, auch wenn es schmerzt. Aus diesem Grund liebe ich traditionelle Kampfkünste. In Kampfkünsten wie MMA oder Krav Maga geht es nicht um Reishiki oder saho, im Gegenteil. Bei den reinen Selbstverteidigungkünsten wäre das sogar hinderlich. Und es ist auch gar nicht das Ziel.
Als ich das erste Mal auf den Norddeutschen Iaidō-Meisterschaften antrat, gab es eine für mich neue Regel: kachi-nuki. Siegen oder ausscheiden. Last man standing. Lernen durch aufeinander folgende Siege oder ausscheiden. Natürlich ist es eher unwahrscheinlich, dass ein mudan (ohne Graduierung) einen godan im Kampf schlägt. Aber darum geht es nicht: Es geht darum, mutig nach vorn zu schreiten, wo die Engel furchtsam weichen: Sich selbst ausprobieren. Weiter und immer weiter, bis, ja bis man in Ehren fällt. Eine der wichtigen Lektionen in meinem Leben. Beim kachi-nuki ist es nicht ausdrücklich wichtig, saho zu entwickeln, aber es ergibt sich automatisch aus der Art, wie man kämpft.
Der ura-Anteil des Budō erklärt sich viel leichter, wenn wir aufmerksam beobachten, dass das persönliche Verhalten und die ständige Aufrechterhaltung eines starken Geistes wichtiger sind, als oberflächliche Dinge wie Pokale oder blutende Gegner.
Natürlich bildet ein Training, eine Prüfung oder ein Taikai keine ernsthafte Kampfsituation ab. Dennoch gelten viele Dinge gleich. Zanshin. metsuke. seme. All das ist wichtig und Teil des saho. Es würde wohl niemandem einfallen, sich nach einer Iaidō-Kata umzudrehen und zum Startpunkt zu gehen. Das wäre eine Lücke im saho! Das machen uns die sumotori eindrucksvoll vor. Egal, was ist, sie wenden sich niemals den Rücken zu. Täte es einer doch, wäre der Kampf augenblicklich verloren! Wir müssen lernen, dass saho Teil unseres Charakters wird und niemals aufhört. All diese Dinge werden ganz prima vermittelt von weisen und erfahrenen Sensei. Manche, so wie ich, haben das Glück, zwei überaus gute erste Sensei zu haben, die all das wissen, was ich jetzt hier niederschreiben darf.
Zanshin Kai Osnabrück e.V.
Schiefe Güntke 3
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TEL: 0177 / 9605451
Mo.-Fr. 07:45 - 08:00 Uhr (Karate Kata online)
Mo: 16:00 - 17:30 Uhr Anfänger und Mittelstufe
17:30 - 19:00 Uhr
Fortgeschrittene (Karate)
Di: 17:00 - 19:00 Uhr (Iaidō)
Mi: 17:00 - 18:30 Uhr Anfänger
Fr: 17:00 - 19:30 Uhr (Iaidō)
Sa. 10:00 - 14:00 Uhr (Karate + Iaidō) auf Anfrage
So. 12:00 - 15:00 Uhr Iaidō (Bremen)